Slow City Hersbruck - die erste Cittaslow außerhalb Italiens

Am 18. Mai 2001 wurde Hersbruck zur ersten Slow City außerhalb Italiens ernannt. Die Auszeichnung ist Anerkennung für das bis dahin geleistete, aber vor allem auch Verpflichtung, die Philosophie der "Vereinigung der lebenswerten Städte" in allen Belangen zu leben und weiterzutragen. Auf dieser Seite lesen Sie die persönlichen Erinnerungen der Möbelmacher an die Entstehung der Cittaslow Hersbruck und was sie damit zu tun hatten.

Hutanger: Der eigentliche Ursprung von Slow City

Schon 1985 werden die ersten Hutanger in der Hersbrucker Alb entbuscht. Das Naturschutzzentrum Wengleinpark arbeitet dabei mit dem Bund Naturschutz, dem Landschaftspflegeverein und den Landwirten zusammen.

Diese herausragende Arbeit wird im Laufe der nächsten Jahrzehnte mit mehreren Preisen  gewürdigt und im Jahr 2006 dokumentiert ein hervorragendes Buch die Geschichte und die Zukunft dieser Entwicklungen.

 Pfeiffer Verlag - ISBN 3-00-017137-1

Weitere Info unter www.ganzkonkret.de



Ausführliche Rezension im weblog "Nachhaltig" der Möbelmacher

Slow Food ist die Ausgangsbasis der Citta Slow Bewegung

1986 wird Slow Food anlässlich der Eröffnung einer Mac Donald´s Filiale in Rom als Gegenbewegung zu Fast Food mit dem Aufruf zur "Rettung regionaler Küchentraditionen" gegründet. 1997 organisiert unsere Schulfreundin Manuela Sillius  die Gründungsveranstaltung des Slow Food Conviviums Nürnberg (dem wir eine eigene Seite gewidmet haben). Natürlich waren Die Möbelmacher dabei.

Der Ursprung der Slowcity- Bewegung war 1999 in Orvieto und wurde dort von den Bürgermeistern einiger aktiver italienischer "Slow Food" Städte wie Chianti, Orvieto, Bra und Positano ins Leben gerufen. Die Bürgermeister wollen den ernährungszentrierten Ansatz der Slow Food Philosophie ganzheitlich auf alle Belange einer lebenswerten Stadt übertragen, im Wesentlichen decken sich diese Ziele mit der lokalen Agenda 21 von 1992.


Die Idee entstand bei der 100-sten Talkshow "Starke Köpfe"

Am 25. Mai 2000 war herwig Danzer zu Gast bei der Talkshow von Jörg Hahn, dem Geschäftsführer des Vereins Die Region Nürnberg, den er als Gründungsbetrieb der Marke Original Regional kannte. Nachdem Jörg immer auf der Suche nach Frauen war (für seine Sendung) kam der Vorschlag für eine Sendung mit Manuela Sillius nicht zuletzt in ihrer Funktion als Slow Food Conviviumsleiterin, die nur wenige Sendungen später stattfand.

Bei der Jubiläumsfeier der hundersten Sendung am 11. Februar 2001 (Talkgast war übrigens der damalige Innenminister und Stellvertreter des Ministerpräsidenten Dr. Günther Beckstein) ward die Idee der Slow City Hersbruck geboren. Denn Jörg Hahn hatte Manuela schon im Vorfeld auf die Suche der italieneischen Slow City Städte nach deutschen Mitgliedern angesprochen und am Stehtisch kam auf die Frage "welche Stadt denn dafür geeignet wäre" herwigs spontane Antwort "natürlich Hersbruck."


Fünf Menschen sammeln Material für die Slow City-Bewerbung

Am nächsten Tag haben wir Rainer Wölfel vom Naturschutzzentrum Wengleinpark um Unterstützung gebeten, denn das regionale Engagement, das die italienischen Bürgermeister sehen wollten, basierte in den meisten Fällen auf der Arbeit des Naturschutzzentrum Wengleinpark vom Hutangeprojekt, über den ersten Tag der Regionen bis zum Initiativkreis Holz aus der Frankenalb. Nach seinem Ja-Wort haben wir den Bürgermeister Wolfgang Plattmeier eingeweiht, der nach kurzr Recherche und als Italienfan und Hobbykoch sofort dabei war und und gleichzeitig seinen Stadtmanager Johannes Michel hilfreich ins Boot holte. Allerdings vereinbarten wir Stillschweigen über die Bewerbung, da wir der Stadt die Peinlichkeit der Ablehnung ersparen wollten.

Was wir zunächst als lustige Idee betrachteten, wuchs beim Sammeln der Bewerbungsgründe zu einer Gewissheit: Hersbruck könnte nicht zufällig das Glück haben, die erste Slow City außerhalb Italiens zu werden, sie hat es sich ehrlich verdient. Alle Zeitungsmeldungen der letzten Jahre, die verkehrsberuhigte Innenstadt, viele kulturelle Aktivitäten und was einem alles so einfällt, wenn man die Bewerbungsunterlagen durchblättert (nachdem sie die Dolmetscherin Manuela Sillius übersetzt hatte), ergaben einen dicken Ordner und ein noch dickeres Packet, das wir ebenso stolz wie siegessicher nach Italien schickten, natürlich nicht ohne dass Manuela die wichtigsten Passagen übersetzt hätte.

In der Zwischenzeit wuchs die Idee heran, die erhoffte Ernennung zur Slow City im Rahmen der Hersbrucker Gewerbeschau zu organisieren, die vom 17. bis 20. Mai des gleichen Jahres geplant war. Termilich wurde es dabei langsam ziemlich knapp, denn die Pressearbeit für die Monatszeitung Treff musste endlich erledigt werden.  Nur Manuelas Hartnäckigkeit, ihren perfekten Italienisch und nicht zuletzt ihrem Charme  ist es zu verdanken, dass sie einen der Bürgermeister während seines Urlaubs von der Dringlichkeit überzeugen konnte. Er sagte zu, mit einer 6-köpfigen Delegation nach Deutschland zu reisen und Hersbruck am Abend des 18. Mai 2001 zur ersten Slow City außerhalb Italiens zu erklären.

Dann musste es schnell gehen:

Die erste offizielle Sitzung von Slow City Deutschland fand in der Fuchsau am 2.Mai 2001 statt. Manuela Sillius wurde zur Koordinatorin Deutschland gewählt.


Excurs: Cittaslow oder Slow City oder lieber ein ganz andrer Name?

Wer die Herkunft von Slow City von Slow Food im Allgemeinen kennt, und die Geschichte der Slow City Hersbruck im Besonderen wird nicht weiter über den -zugegeben - nicht ganz glücklichen Ausdruck stolpern. Fachleute und vor allem alle anderen können dieses Thema stundenlang thematisieren. Ob statt des Anglizismus Slow City die Sprachmischung Cittaslow besser ist, oder besser klingt, ist eigentlich nicht so richtig wichtig. Hersbruck hatte als erstes Mitglied einer gerade startenden internationalen Vereinigung an keiner Stelle das Recht oder die Möglichkeit die Namensgebung zu verändern.

Wenn ich beim Kegelverein KVH aufgenommen werde, kann ich wohl auch schlecht beim ersten Treffen dessen Umbenennung fordern. Als Slow Food Mitglied stehe ich persönlich zu den Slow Food Wurzeln und wer diese Zusammenhänge nicht kennt und nur gerne lästert, kann nicht beeindrucken. Wer aber einen wirklich besseren Namen vorschlägt wird damit vielleicht doch noch Aktivitäten entfachen können, aber er müsste schon wahnsinnig gut sein.

Natürlich hat jetzt jede Mitgliedsstadt das Problem mit der uns nachgesagten Langsamkeit (es wäre nicht besonders toll in der Presse als langsamste Schreinerei Deutschlands zu erscheinen). "Slow" heißt als Slow City aber nicht langsam, sondern "lebenswert." Das hat nicht selten mit durchaus erwünschter Entschleunigung unserer hektischen Gewohnheiten zu tun, immer aber mit Lebensqualität. Wenn also der Untertitel des Logos mitgelesen wird "die Vereinigung der lebenswerten Städte," kann man Slow City sicher leben und über den dümmlichen Artikel in der Bildzeitung vom Februar 2006, dem wie meist weder eine vernünftige Recherche, noch eine anständige journalistische Nachbearbeitung zuteil wurde, nur lachen. Nachzulesen mit allen Kommentaren im Nachhaltigkeitsweblog.

 

Die Hersbrucker Gewerbeschau 2001 im Zeichen von Slow City

Für die Gewerbeschau haben wir unsere Küche des regionalen Musterhauses (das damals kurz vor der Aufstellung stand) mitgebracht und mit Hersbrucker Köchen die Kochshows organisiert. Moederiert von Manuela Sillius und herwig Danzer gab es täglich Shows von Spitzenköchen und Bürgermeister Wolfgang Plattmeier begeisterte mit Pfannkuchen vom Tepan Yaki, die alkoholisch unerfahrene Testesser mit Blitzräuschen überraschte.

Wenns zu voll wurde, konnten die hinteren Besucher in den beiden Fernsehern (die damals noch nicht flach waren) das Geschehen auf der Herdplatte mitverfolgen.

Hans-Peter Eberhard vom Grünen Baum in Kühnhofen war der erste Profi, der die Produkte aus der Region entdeckte. Wobei unsere Region die Direktvermarkter aus der Hersbrucker Alb meint und nicht irgendwas aus Deutschland!

Ohne die Hilfe von Peter Bauer (Cafe Bauer) als Gastronomieorganisator des Tags der Regionen 2000 in Hersbruck, wäre die regionale Küche hier nie so weit gekommen.

Ernesta Klos hatte neben der Fernsehkamera auch noch mit einem Moderator zu kämpfen, der die Kartoffeln zu spät in den Dampfgarer steckte.
(herwig: "Solltest Du dich nicht so langsam auch um die Beilagen kümmern?"
Ernesta:"Das machst doch Du!") Souverän rettete sie die Fische auf dem Grillgarer und glänzte bei ihrem Fernsehauftritt im Frankenfernsehen.

Georg Rauh ist der Newcommer unter den Hersbrucker Köchen. In der Fuchsau wird er zeigen, dass auch die Jungen zum gastronomischen Regionalimage einer Stadt beitragen können. Auf dem Bild hinter ihm sieht man Alberto Montebello, den Koordinator Slow City von Italien, der auch immer gleich mit anpackte, wenn was zu tun war.



Die Kochshows thematisierten aber nicht nur feines Essen und gute Rezepte, sondern sie boten vor allem auch unseren Direktvermarktern eine Bühne auf den Wert ihrer Produkte aufmerksam zu machen. Nur wer die Unterschiede schmeckt und versteht und am besten auch noch verbreitet, wird auf Dauer die paar Pfennige mehr für ein qualitativ hochwertigeres Produkt aus der Region zahlen. Das ist Slow Food und Slow City Philosophie in einem.

Aufnahme Hersbrucks in die Vereinigung der lebenswerten Städte "Cittaslow" am 18.Mai 2001

Blitzartig mussten wir unsere Küche auf der Gewerbeschau verlassen und uns nach Kühnhofen in den Grünen Baum aufmachen. Dort trudelten so langsam auch die Gäste ein, die sich für die fair kalkulierte Veranstaltung Karten gekauft haben.

Zu den Fotos von Thomas Geiger (Farbe) und Ursula Pfeiffer (SW) habe ich den Zeitungsartikel von Ursula eingebaut. Sie gab die Stimmung sehr passend wieder.

 

Lebenswerter Vorreiter

(von Ursula Pfeiffer, HZ vom 22. MAi 2001)

Bewegung würdigte Arbeit der verschiedenen Regional-Initiativen

Willkommen im Club der „lebenswerten Städte“, der Slow Cities. Küchenchef Hans-Peter Eberhard vom Grünen Baum, umringt von seinen „cameriere“ (Kellnern), natürlich nur für das Foto: v. l : Alberto Montebello, Koordinator der cittaslow, Prof. Paolo Menis, Bürgermeister von San Daniele, Pietro Ottavio Fusco, Bürgermeister von Positano einem seiner Stadträte.

Als erste Stadt außerhalb Italiens erhielt Hersbruck das Diplom slow city (cittaslow): Darüber freuen sich: v.l.: Herwig Danzer, Rainer Wölfel vom Naturschutzzentrum Wengleinpark, Friederike Klatt vom Vorstand Slow food, City-Manager Johannes Michel, Küchenchef Eberhard und Koordinatorin Manuela Sillius. Fotos: U. Pfeiffer

Süße Verführung: Rhabarbermousse auf Gravensteiner Apfelsauce und Löffelbisquits.

HERSBRUCK – Seit Freitagabend ist Hersbruck die erste deutsche Slow City – wobei slow hier nicht „langsam“, sondern „lebenswert“ bedeutet. Die aus deutschen und italienischen Kommunalpolitikern, regionalen Erzeugern und Wirten und genussfreudigen Bürgern bunt gemischte Versammlung im „Grünen Baum“ in Kühnhofen nahm es mit Beifall auf.

Der Begriff Slow City kommt, wie aus der Ansprache von Bürgermeister Wolfgang Plattmeier hervorging, von der in Italien entstandenen Slow Food Bewegung her, die sich gegen die Überschwemmung Europas mit überall gleich schmeckendem Fast Food wendet und demgegenüber die Qualität der regionalen Küche und ihrer Produkte herausstreicht. Italienische Kommunalpolitiker haben daraus die Slow City-Bewegung entwickelt, die dieses Prinzip auf allen Ebenen umsetzen will: Erhaltung der gewachsenen Siedlungsstrukturen und der Kulturlandschaft, verbesserte Umweltqualität, Unterstützung der Produktion hochwertiger Lebensmittel aus der Region nach herkömmlichen und umweltverträglichen Methoden, sowie die Bewahrung kultureller Besonderheiten wie der Hirtenkultur oder der traditionellen Kirchweih. In Italien, teilte der Bürgermeister mit, hat diese Bewegung bisher 33 Mitgliedsstädte, die dort cittaslow genannt werden. Plattmeier, der das Engagement seines City-Managers, Johannes Michel, in diesem Zusammenhang besonders hervorhob: „Wir freuen uns, in diesen Kreis aufgenommen zu werden.“

Auslöser für die Nominierung Hersbrucks seien die vielfältigen Aktivitäten in Stadt und Region zur Förderung regionaltypischer Erzeugnisse und kultureller Besonderheiten. Entscheidend sei auch die Arbeit von Manuela Sillius vom Slow Food-Convivium Nürnberg gewesen, die inzwischen Koordinatorin der Slow Cities in Deutschland ist.

Charmant und souverain übersetzte sie alle Reden simultan – egal ob ins Deutsche oder Italienische.

Der Koordinator der Slow Cities mit dem wohlklingenden Namen Alberto Montebello, der mit den Bürgermeistern der Städte Positano, Pietro Ottavio Fusco und San Daniele, Prof. Paolo Menis, und Vertretern des Stadtrates an der Veranstaltung teilnahm, drückte seine Freude darüber aus, dass Hersbruck als erste Stadt außerhalb Italiens in den Kreis der „lebenswerten Städte“ aufgenommen wird. Mehr Lebensqualität für die Bürger und Gäste einer Stadt zu schaffen, sei eine stete Herausforderung. Sie könne durch gegenseitigen Austausch und den Aufbau eines Netzwerks zwischen den Städten besser bewältigt werden.

Diesen Titel zu erhalten, sei eine Ehre und zugleich ein Ansporn, ihn mit Leben zu erfüllen, sagte Rainer Wölfel vom Naturschutzzentrum Wengleinpark in seinem knappen, überzeugenden Statement. Dies sei das Ergebnis von zahlreichen besonders engagierten Regional-Initiativen für eine naturschutzgerechte Entwicklung der Hersbrucker Alb: die landwirtschaftlichen Direktvermarkter, die Streuobstinitiative, der Initiativkreis Holz, sowie die „Regionalen Wochen“ der Gastronomie. Bereits der Tag der Regionen habe von Hersbruck aus seinen Weg in viele Bundesländer genommen. Auch Brigitta Stöber, die für den Stadtrat sprach, Herwig Danzer von den Möbelmachern und die eigens aus Ulm angereiste Friederike Klatt, die Vorsitzende von Slow Food Deutschland, unterstützten die regionale Idee.

Das viergängige ausgedehnte Festessen und die Atmosphäre in Kühnhofen waren dem Anlass entsprechend: lecker und locker. Deutsche und Italiener „kauderwelschten“ fröhlich miteinander (wie bitte übersetzt man Bärlauch und gelbes Fleckvieh?).Die Italiener tranken zunächst Bier, die Deutschen Wein, und Küchenchef Hans-Peter Eberhard hatte sicher nicht geahnt, dass er schon beim ersten Gang, einem Sittenbacher Carpaccio mit Albkäse, Stangenbrot und Bärlauch-Sauce, mit Professore Paolo Menis, dem Bürgermeister von San Daniele, einen profunden Schinken-Kenner vor sich hatte: In den idyllisch gelegenen 8000-Einwohner-Ort in den Bergen Friauls strömen alljährlich 500 000 Pilger zur berühmten „festa del prosciutto“, zum Schinkenfest.

(Wie wärs eigentlich in Hersbruck mit einem riesigen Bratwurstfest? Für 500 000 Pilger bräuchte man dann aber mindestens eine Million Würste...).

URSULA PFEIFFER

 

Gleich danach besuchte Stoiber die Slow City

Naja, das ist füre inen SPD-Bürgermeister schon eine Auszeichnung und ein Argument, warum der Stadtrat dann doch etwas größere Begeisterung für Cittaslow zeigte: Stoiber kam nach Hersbruck.

In der technisch etwas betagten aber lustigen Fotogalerie heißt es:

Am 30. Juli 2001besuchte Ministerpräsident Stoiber zusammen mit den Ministern Miller und Sinner die frischgebackene Slow City Hersbruck.
Die an dieser Auszeichnung massgeblich beteiligten Initiativen stellten dem Teil des bayerischen Kabinetts ihre Arbeit vor. Vom Naturschutzzentrum Wengleinpark bis zum regionalen Musterhaus des Initiativkreises Holz aus der Frankenalb war alles vertreten.
Seitdem geistern die Qualitäten der Hersbrucker Alb auch durch die Internationale Presse, von Newsweek, Independent, Focus, Süddeutsche bis zur Hersbrucker Zeitung.

Vortragsvideo von 2012 (20 min) über die Geschichte von Slow Food und Cittaslow in der Hersbrucker Alb

Den Vortrag hielt herwig Danzer bei den Unterkrumbacher Werkstatt-Tagen 2012, der Text dazu ist hier nachzulesen.