Corporate Social Responsibility bei Faber-Castell, Hess-Natur und den Möbelmachern auf Bayern2Radio
Nikolaus Nützel besuchte uns einen ganzen Nachmittag lang, um daraus einen Beitrag über verantwortungsvolle Unternehmensführung bei Faber-Castell, Hess Natur und uns zu erarbeiten. Klar nennt man das ganze heute mindestens Nachhaltigkeit, oder sogar Coporate Social Responsibility.
Das Interview fiel zufällig auf ein anderes Interview mit Edith Kresta, Redakteurin der Taz, was Sie im Weblog nachlesen können.
Das Manuskript der Sendung
Weil viele unserer Leser lieber lesen als hören (und weil´s viel schneller geht, aber nicht den Sound der Kreissäge bringt) hier auch das Manuskript der Sendung über Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility. Rechts oben haben wir übrigens einen Link für die Druckansicht, falls Sie das lieber heute Abend am Sofa lesen möchten.
Sendung:
10.00 – 12.00 Uhr/Bayern2Radio
Gema:
VG Wort:
ADMS:
ID
Notizbuch: 06.02.2007
AutorIn: | Nikolaus Nützel |
Redaktion: |
|
Länge: | Gesamt 25.00 |
Digas |
|
Zitator/SprecherIn: |
| |
Gema/Musikmeldung: |
| |
VG Wort: | - | |
Interview-/Gesprächspartner/Funktion: Name, Vorname (Beschreibung) Danzer, Herwig: Geschäftsführer „Die Möbelmacher“ Suppa, Sandra: Sprecherin Faber-Castell Szautner, Martina: Personalmanagerin Faber-Castel Graf Faber-Castell, Anton Wolfgang: Unternehmer Lüdge, Wolf: Geschäftsführer Hess Natur Heimann, Rolf: Qualitätsbeauftragter Hess Natur Müller-Christ, Georg: Prof. BWL (Nachhaltiges Management), Uni Bremen |
| |
|
| |
Anmoderation:
Ein etwas sperriger Begriff macht in Manager-Kreisen in den letzten Jahren die Runde: Corporate Social Responsability – also die Verantwortung der Unternehmen für die Gesellschaft und die Umwelt, in der sie arbeiten, wird in immer mehr Vorstands-Etagen zum Thema. Allerdings lassen es viele Firmen mit mehr oder minder halbherzigen Absichtserklärungen bewenden, wenn es darum geht, nachhaltig zu wirtschaften – Nachhaltigkeit oder auf Management-Englisch „Sustainability“, das ist ein anderer Begriff, der immer häufiger auf Führungskräfte-Seminaren zu hören ist. Nikolaus Nützel hat drei Firmen besucht, die sich die Nachhaltigkeit ganz besonders auf ihre Fahnen geschrieben haben, und die dafür auch schon vielfach ausgezeichnet worden sind.
BEITRAG
Musik A: (Musik Trabuco, ca. 4’’ frei, dann darüber TEXT+Zusp.) | Musik der venezolanischen Band Trabuco. Die Kombination von Geige und Gitarren klingt nicht nur außergewöhnlich – Sie wird auch an einem außergewöhnlichen Ort aufgeführt: In einer Schreinerwerkstatt im mittelfränkischen Dörfchen Unterkrumbach. Üblicherweise würde es Musiker aus Südamerika wohl kaum in eine fränkische Schreinerei verschlagen. Aber der Geschäftsführer Herwig Danzer hat öfter ausgefallene Ideen. So ist die Fliege, die seinen Hemdkragen schmückt, aus Buchenholz. Und sein Haus trägt den Titel „regionales Musterhaus“. Es soll ein Muster sein für nachhaltigen Umgang mit der Natur und mit wirtschaftlichen Ressourcen:
1. Zuspielung Herwig Danzer Das ist eigentlich ein Paradebeispiel für Nachhaltigkeit, weil es nicht nur den ökologischen Ansatz berücksichtigt, der ist selbstverständlich, aber es geht noch weiter, es geht in diesen sozialen Bereich rein.
|
Atmo B: Call Center Hess Natur, ca. 4’’ stehen lassen, darüber TEXT
| Ein anderer Ort, ein anderes ungewöhnliches Unternehmen: Im hessischen Butzbach hat das Textil-Versandhaus Hess Natur seinen Sitz. Guter Umgang mit den Mitarbeitern werde hier groß geschrieben, erklärt der Geschäftsführer Wolf Lüdge. Die Call-Center-Angestellten arbeiten in einer Umgebung, die gemütlicher ist als so manches Wohnzimmer. Ganz besonders wichtig sei es der Firma aber, ausschließlich Hemden, Hosen oder Strümpfe zu verkaufen, die mit größtmöglicher Rücksicht auf die Natur hergestellt worden sind – und mit ordentlichen Arbeitsbedingungen auch zum Beispiel für Baumwollarbeiter in der Dritten Welt. Hess Natur will sich abheben von Textilhänderln, die T-Shirts für drei Euro anbieten: 2. Zuspielung Zuspielung Wolf Lüdge Das sind zumeist ökologische Bomben, die Sie am Körper tragen, zum anderen klebt an den Produkten Blut dran.
|
Atmo C, Faber-Castell, Stifte-Produktion | Ein drittes Unternehmen, das sich in mancher Hinsicht von der Konkurrenz abhebt: Bei Faber-Castell in Stein bei Nürnberg weiß die Geschäftsleitung bald gar nicht mehr, wo sie noch hin soll mit den Urkunden für vorbildliche Sozialstandards und Rücksicht auf die Natur. Und die Unternehmenssprecherin Sandra Suppa kann ganz Erstaunliches berichten über die Tierwelt in den brasilianischen Wäldern, in denen Faber-Castell Bäume anpflanzt, die Holz für die Stifte-Produktion liefern: 3. Zuspielung Sandra Suppa Es gibt hunderte von Arten, die es nur noch in unseren Wäldern gibt, weil sie dort vorm Menschen geschützt sind. Es gibt Wölfe, es gibt Ameisenbären, es gibt Pumas, Ozelots. |
(Keine Atmo!) |
Drei Firmen aus drei ganz unterschiedlichen Branchen – doch mit einer Gemeinsamkeit: Sie haben sich alle ausdrücklich einer Produktion verschrieben, bei der die Interessen der Beschäftigten wie auch der Umwelt groß geschrieben werden. Die Möbelmacher, Hess Natur, Faber-Castell – Sie alle sind für ihr Streben nach Nachhaltigkeit in den letzten Jahren vielfach ausgezeichnet worden. Aber sie werden nicht nur mit Ehrungen überhäuft, sie sind auch wirtschaftlich erfolgreich mit ihrer Idee der Nachhaltigkeit. Stellt sich die Frage, wie ihnen das eigentlich gelingt. |
Atmo D: Sägen etc. Möbelmacher | Ein Besuch in der Werkhalle der Firma „Die Möbelmacher“. Es ist keine Schande, wenn man noch nie etwas von dem mittelfränkischen Ort Unterkrumbach gehört hat, in dem die Firma ihren Sitz hat. Das Dorf ist so klein, dass es dort keine Straßennamen gibt. Die Möbelmacher haben schlicht die Adresse Unterkrumbach 39. Die Werkhalle der Schreinerei ist komplett aus Holz gebaut, innen ist sie ausgesprochen hell und freundlich. Hier arbeiten 17 Angestellte und zwei Geschäftsführer. Was der eine der Geschäftsführer, Herwig Danzer, erklärt, klingt zunächst typisch für einen Holzbetrieb: 4. Zuspielung Danzer Hier ist der Stapel mit den getrockneten Brettern, das sind 5cm starke Buchenbretter, die hier die Schreinerin oder der Schreiner vom Stapel nimmt, die Länge richtig abschneidet und dann auf die Besäumsäge legt. Diese Besäumsäge, die schneidet die Rinde weg und dann die einzelnen Streifen.
Auffällig ist allerdings, dass es in der Schreinerei nur angenehm nach frischem Holz riecht. Der Geruch von Lack oder Lösungsmitteln, der für viele andere Möbelbetriebe typisch ist, fehlt völlig. Denn die Möbelmacher arbeiten ausschließlich mit Massivholz und Naturharzölen. Für den Schreinergesellen Klaus Rossmann war das ein wesentlicher Grund, hier zu arbeiten.
5. Zuspielung Klaus Rossmann Ich habe vorher Parkett verlegt mit DD-Lack noch, und das ist grausam, wenn man sich vorstellt, was da mit einem passiert. Wenn hier einmal eine Nitro-Dose nur aufgemacht wird und jemand damit etwas reinigt, dann riecht man das in der ganzen Werkstatt. Wenn man sich vorstellt, dass man früher in der Werkstatt lackiert hat ohne Absaugung ohne alles. Und wenn man sich das anschaut, für die Umwelt natürlich auch.
Bei der Gründung des Möbel-Unternehmens vor knapp 19 Jahren sei es eine ganz persönliche Entscheidung gewesen, auf alles zu verzichten, was der Natur in Franken oder sonstwo in der Welt schaden könnte, meint der Geschäftsführer Herwig Danzer. Aber er und sein Kompagnon Gunther Münzenberg wollten noch einen Schritt weiter gehen. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte regionale Musterhaus, das neben der Werkstatt steht, und das Herwig Danzer selbst bewohnt. Das Haus besteht fast komplett aus Holz aus der Region und ist fast vollständig von Handwerkern aus der Region gebaut worden. 6. Zuspielung Danzer Ich würde sagen, das ist eigentlich ein Paradebeispiel für Nachhaltigkeit, weil es nicht nur den ökologischen Ansatz berücksichtigt, der ist selbstverständlich, ein Ökohaus, ein Bio-Haus oder wie man will, da ist jetzt kein Material verarbeitet, das diesen Ansprüchen nicht gerecht würde. Aber es geht noch weiter, es geht in diesen sozialen Bereich rein, dass ich sage, ich versuche sämtliche Handwerker, die in dieser Region sind, hier mit einzubeziehen, dass also auch die Wirtschaftskraft auch in der Region bleibt. Also von daher ist es ein Paradebeispiel, wie das Erzeugen von Wohnraum so optimal wie möglich gemacht werden kann.
|
Atmo E: Call-Center Hess
(Hier Atmo ausblenden) | Eine ganz persönliche Entscheidung, anders zu arbeiten als andere in der Branche hat auch Heinz Hess verfolgt, als er Mitte der 70er Jahre einen Versandhandel für Bekleidung gründete. Hess ist vergangenes Jahr gestorben, doch wenn die Mitarbeiterinnen im Call-Center im hessischen Butzbach den Anrufern erklären, warum ein nicht ganz billiger Strumpf schon nach wenigen Wochen ein Loch hat, dann vermitteln sie immer noch seine Grundphilosophie: Die Firma Hess Natur sei anders: 7. Zuspielung Isolde Hess (Text 13’’, dann 20’’ Atmo) Es hat nichts mit Minderwertigkeit zu tun, wenn dieser Artikel von der Langlebigkeit nicht zu vergleichen ist mit konventionellen Produkten, da muss man sich schon im Klaren sein, das sind zwei verschiedene Dinge.
Anders als bei anderen Firmen sind zum einen die Arbeitsbedingungen für die rund 280 Angestellten, die das Versandhaus Hess Natur in Deutschland beschäftigt. Im Call-Center gibt es beispielsweise keinerlei Vorgaben, wie viele Anrufe jeden Tag erledigt werden müssen. Die Firmenleitung setzt darauf, dass sich die Beschäftigten ohne Druck ihre Arbeit richtig einteilen. Ihre Vorgesetzten hätten zwar Statistiken über die Arbeitsleistung, erklärt die Call-Center-Mitarbeiterin Isolde Hess. Aber die spielten für ihre Arbeit keine Rolle. 8. Zuspielung Isolde Hess Es gibt vielleicht auch Menschen im Haus, die Statistik und Zahlen lieben. Ich weiß nicht, für wen die sind, ich kann es Ihnen nicht sagen. (Lacht) Da müssten Sie meinen Vorgesetzten fragen. Weil diese Zahlen keine Auswirkungen für mich haben, ich werde nicht daran gemessen.
Call-Center, Einzelhandel, Textilbranche – Bei Hess-Natur kommen eigentlich drei Wirtschaftsbereiche zusammen, in denen viele Beschäftigte nicht sonderlich gut behandelt werden – und in denen die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di beispielsweise entsprechend oft Mühe hat, Mindeststandards durchzusetzen. Doch der Betriebsrats-Vorsitzende von Hess Natur, Walter Strasheim, ist geradezu überschwänglich, wenn er über seine Firma redet.
9. Zuspielung BR-Vorsitzender Strasheim, Walter Gerade wenn es um den Einzelhandel geht, plagen sich meine Ver.di-Kollegen mit Problemen, die wir hier überhaupt nicht haben. Nicht mal ansatzweise. Auch was das Call-Center angeht, gibt es hier Standards, die werden von anderen Unternehmen nicht einmal ansatzweise angedacht.
Aber nicht nur bei den Beschäftigten in Deutschland legt Hess Natur Wert auf hohe soziale Standards. Auch bei den Firmen, die aus der Türkei, aus Ägypten oder aus China Baumwollstoffe oder auch Seide zuliefern, müssten sich die Arbeitsbedingungen am europäischen Niveau messen lassen, erklärt der Geschäftsführer Wolf Lüdge. Und es muss vor allem sichergestellt sein, dass beispielsweise keine giftigen Chemikalien zum Einsatz kommen, wie sie in der Baumwollindustrie weit verbreitet sind. Über die Ernte auf konventionellen Baumwollfeldern weiß Wolf Lüdge Details zu erzählen, von denen viele Verbraucher nichts ahnen:
10. Zuspielung Wolf Lüdge Dass die normalen Baumwollfelder mit Entlaubungsmittel bespritzt werden, damit die großen Absauganlagen drüber fahren können, und dieses Entlaubungsmittel wurde eingesetzt unter dem Namen Orange T im Vietnamkrieg. Also können Sie schon ungefähr ermessen bei dem Rohstoff, wo die Problematik liegt.
Nur mit solchen radikalen Erntemethoden sei es möglich, Baumwoll-T-Shirts für zwei oder drei Euro anzubieten. Und solche Niedrigpreise seien nur möglich, wenn die Beschäftigten in den Erzeugerländern mit Hungerlöhnen abgespeist werden, meint Wolf Lüdge. Das müsse jedem bewusst sein, der für ein Hemd weniger bezahlt als für eine Tüte Semmeln:
11. Zuspielung Wolf Lüdge 20’’ Bei diesen Billigketten, das sind zumeist ökologische Bomben, die Sie am Körper tragen. Zum anderen klebt an den Produkten Blut dran, wenn man das so plakativ ausdrücken will. Es spielen ökologische Fragen keine Rolle, es geht nur drum, einen billigen Einkaufspreis zu realisieren und je mehr Nichtbeachtung gewisser Sozialstandards, desto billiger der Preis.
|
Atmo F: Produktion Faber-Castell
(Atmo hier ausblenden) | Möglichst ordentliche Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten – sowohl an den Produktionsstandorten in Deutschland als auch in den Fabriken in Brasilien, Indien oder Malaysia – Aber auch schonender Umgang mit der Natur: Das ist auch die Firmenphilosophie beim Bleistift- und Buntstift-Hersteller Faber-Castell. In einer Werkhalle in Stein bei Nürnberg erklärt die Unternehmenssprecherin Sandra Suppa, was hier anders gemacht wird als bei anderen Firmen:
12. Zuspielung Sandra Suppa Wir sind die einzigen in der Branche, die durchgängig mit Wasserlack arbeiten, also für alle Stifte Wasserlack verwenden. Wasserlack hat zwei Vorteile. Zunächst mal: Die Geruchsbelästigung ist wesentlich weniger als beim Aceton, das ist ja sehr aggressiv. Auch ist es für die Mitarbeiter sehr viel angenehmer mit Wasserlack zu arbeiten, wir können jetzt auch gleich mal riechen, aber man riecht fast nichts. Der zweite wesentliche Grund ist, dass es enorm umweltfreundlich ist, wir können das mit dem Hausmüll entsorgen.
Aber nicht nur am Firmensitz in Franken achtet Faber-Castell auf Ökologie. In Brasilien bewirtschaftet Faber-Castell in der Nähe der weltgrößten Buntstiftfabrik einen eigenen Wald, um sich selbst mit Holz versorgen zu können. In anderen Landesteilen Brasiliens wird die Umwelt durch Kahlschlag massiv geschädigt – im firmeneigenen Wald von Faber-Castell sehe das ganz anders aus, erklärt Sandra Suppa:
13. Zuspielung Heute ist es ein hochinteressantes Umweltprojekt. Wir haben jede Menge Universitäten, die in unseren Wäldern jede Menge Tiere beobachten, die vom Aussterben bedroht sind, es gibt hunderte von Vogelarten und Säugetierarten, die es nur noch in unseren Wäldern gibt, weil sie dort vorm Menschen geschützt sind. Es gibt Wölfe, es gibt Ameisenbären, es gibt Pumas.
Für seine umweltfreundliche Produktion hat Faber-Castell eine ganze Reihe von Auszeichnungen erhalten, ebenso wie für seinen Umgang mit den Beschäftigten vor allem in Schwellenländern wie Brasilien, Indien oder Malaysia. Gute Entlohnung, Mitsprachrechte nach europäischem Vorbild, werkseigene Freizeitanlagen, Schulprojekte für Kinder der Mitarbeiter – Das war für die IG Metall Grund genug, um mit der Firmenleitung von Faber-Castell erstmals eine sogenannte internationale Sozialcharta zu unterschreiben. Damit hat sich allerdings ein Problem gestellt, räumt Martina Szautner ein, sich für den gesamten Konzern um Personalfragen kümmert. Es muss natürlich kontrolliert werden, ob tatsächlich auch in Südamerika oder Ostasien die Standards eingehalten werden, die die Zentrale in Deutschland in Absprache mit der Gewerkschaft vorgibt. Besonders schwer ist diese Kontrolle bei Zulieferfirmen. Aber als vergangenes Jahr beispielsweise Berichte über Kinderarbeit bei einem Zulieferbetrieb in Brasilien bekannt wurden, habe Faber-Castell schnell gehandelt, erklärt die Managerin:
14. Zuspielung Szautner Als wir das erfahren haben, haben wir die Geschäftsbeziehungen gestoppt und auch bis heute nicht wieder aufgenommen. Weil der Zulieferer bisher den letzten Beweis schuldig geblieben ist, dass das nicht passiert. Weil wir gesagt haben, so lange da ein Verdacht im Raum steht, werden die Lieferbeziehungen abgebrochen. Sonst ist man auf der Ebene, dass man so etwas fordert, und wenn es nicht umgesetzt wird bei einem Verstoß, dann wird es verpuffen.
|
Atmo G: Produktion Faber-Castell
| Am einfachsten ist es aber, wenn ein Kontrollsystem überflüssig ist. Das ist - was ökologische Standards angeht, - an vielen Stellen in der Bleistift- und Buntstiftproduktion von Faber-Castell am Firmensitz in Stein bei Nürnberg der Fall. Vor gut zehn Jahren hat die Firma dort konsequent auf schadstofffreie Lacke umgestellt – einerseits weil seitdem die Arbeiter nicht mehr durch gesundheitsschädliche Dämpfe gefährdet werden. Andererseits, weil kein gefährlicher Sondermüll mehr anfällt. Aber die Entscheidung habe sich auch betriebswirtschaftlich gelohnt, erklärt die Unternehmenssprecherin Sandra Suppa:
15. Zuspielung Suppa Die Technik, die man dafür braucht, ist etwas komplizierter, und war auch was, was ursprünglich mal subventioniert wurde. Aber dadurch haben wir jetzt einen Technikvorsprung in dieser Wasserlackfertigung. Und durch diesen Technikvorsprung beispielsweise gelingt es uns, den Grip-Stift herzustellen. Der Grip-Stift, die Noppen, ist aus Wasserlack. Das kriegen Sie mit Aceton nicht hin. Ein Umweltaspekt bringt also plötzlich wirtschaftliche Vorteile.
Denn der patentgeschützte Grip-Stift mit seinen rutschfesten Gumminoppen, der erst mit der umweltfreudlichen Wasserlack-Technik produziert werden konnte, hat Faber-Castell beträchtlichen zusätzlichen Umsatz gebracht. Und ganz ähnlich war das Kalkül, als Faber-Castell sich in Brasilien einen großen Wald zugelegt hat, der im Einklang mit der Natur so bewirtschaftet wird, dass er Holz-Nachschub liefert: 16. Zuspielung Sandra Suppa Die wesentlichen Punkte waren, wir wollten unsere Qualität sichern, was die Holzversorgung angeht, wir wollten uns aber auch unabhängig machen von unseren Lieferanten, von dem Preisdiktat der Lieferanten. Das bringt uns heute natürlich auch wirtschaftliche Vorteile, weil wir einen stabilen Holzpreis haben, unter anderem, aber auch eine Qualitätssicherung haben durch diese Wälder.
|
(Hier Atmo ausblenden) | Der Unternehmens-Chef Anton Wolfgang Graf Faber-Castell findet auch gar nichts Anrüchiges dabei, wenn er ökologische und soziale Aspekte mit wirtschaftlichen Interessen verbindet. Aus der gleichen Philosophie heraus hätten schon seine Vorfahren dafür gesorgt, dass Faber-Castell als eines der ersten Unternehmen in Deutschland im 19. Jahrhundert eine Betriebskrankenkasse und einen Kindergarten für die Beschäftigten angeboten hat, erzählt der Graf:
17. Zuspielung Faber-Castell Mein Ururgroßvater Lothar von Faber, der das Unternehmen zu Weltruhm brachte, hat sich schon sehr stark um die sozialen Belange seiner Arbeiter gekümmert. Nicht nur aus altruistischen Gründen, sondern er hat damit auch bezweckt, dass die Arbeiter ein besseres Umfeld bekommen, dass sie besser ausgebildet werden, dass sie damit auch bessere und produktive Arbeiter werden.
In jenen Zeiten hat zwar noch niemand das Wort Nachhaltigkeit in den Mund genommen – aber dennoch hätten die Vorfahren der Faber-Castell-Dynastie schon in einem gewissen Rahmen Nachhaltigkeit vorgelebt, meint der Graf. Das sei keineswegs verwunderlich, glaubt Professor Georg Müller-Christ von Universität Bremen. Er lehrt an der Hochschule Nachhaltiges Management und hat sich entsprechend intensiv mit dem Thema beschäftigt. Es gebe beim Thema Nachhaltigkeit eine klare Regel, sagt der Betriebswirtschafts-Professor:
18. Zuspielung Müller-Christ Die meisten Unternehmen begreifen das Thema Nachhaltigkeit immer dann, wenn sie feststellen, dass eine Ressource, von der sie elementar abhängig sind, dauerhaft knapp wird oder absolut knapp wird. Unter Ressource sind jetzt nicht nur Rohstoffe zu verstehen, also die natürlichen Ressourcen, sondern genauso die finanziellen Ressourcen wie die sozialen oder humanen Ressourcen. Also: Unternehmen kümmern sich um das Thema Gesellschaftsverantwortung beispielsweise, wenn sie feststellen, dass das Vertrauen, die Ressource Vertrauen in der Bevölkerung knapp wird. Dann fangen sie an, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Wenn ein bestimmter Rohstoff knapp wird, wie eben Holz bei Faber-Castell, fängt das Unternehmen an sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Wenn die Ressource Bildung absolut knapp wird, fangen Unternehmen an, eigene Universitäten aufzubauen. Also sie brauchen also fast immer ein ganz klares Knappheitszeichen, damit sie anfangen, sich nachhaltig bezogen auf diesen einen Rohstoff, diese eine Ressource zu verhalten.
Kluge Unternehmer könnten also durchaus von selbst darauf kommen, dass es sich lohnt, mit der Umwelt, mit Rohstoffen und mit der Belegschaft pfleglich umzugehen. Allerdings lasse sich diese Einsicht eher bei kleinen und mittleren Firmen finden, wie eben bei Faber Castell, bei Hess Natur oder bei den Möbelmachern. Denn dort hat ein einzelner Chef das Sagen – und nicht eine Riege von Managern, die ständig nach dem Aktienkurs schielen, wie es bei großen Aktiengesellschaften der Fall ist, hat der Betriebswirtschafts-Professor festgestellt:
19. Zuspielung Müller-Christ Ich glaube dass inhabergeführte mittelständische Unternehmen ein ganz anderes Gefühl haben dafür, was es heißt, heute schon die Bedingungen für das Einkommen von morgen zu sichern. Weil von diesem Einkommen die Inhaber elementar abhängig sind. Die denken also aus reinem Eigeninteresse langfristig: Was muss ich heute tun, um morgen noch Einkommen zu haben. Deswegen findet man das in diesen Betrieben viel häufiger, die verstehen das vielleicht auch schneller, was Nachhaltigkeit bedeutet.
Doch was es wirklich bedeutet, so zu produzieren, dass eine Gesellschaft auch in fünfzig, hundert oder zweihundert Jahren noch im Wohlstand leben kann, hätten noch nicht sonderlich viele Unternehmenslenker durchdrungen, meint Professor Müller-Christ:
20. Zuspielung Müller-Christ Nachhaltig produzieren ist sicherlich noch gar nicht weit verbreitet, denn was darunter verstanden wird, ist meist ein umweltfreundliches Produzieren. Und das ist eine Notwendigkeit, die wir schon seit 20,25 Jahren kennen. Und wenn man sich die Entwicklung der letzten 25 Jahre anguckt, dann kann man eigentlich überhaupt nicht behaupten dass, wir da große Stücke weiter gekommen sind.
Der Betriebswirtschafts-Professor ist nach vielen Jahren, die er sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, auch zu einem klaren Ergebnis gekommen: Es hat keinen Sinn, wenn Firmen sich nur hier einen neuen Verhaltenskodex zulegen und dort ein Gütesiegel. Vielmehr müssten die Unternehmen und die Verbraucher gemeinsam eines lernen: Nachhaltige Wirtschaft kann in vielen Fällen bedeuten, dass Firmen heute auf Umsatz verzichten müssen, um morgen noch Umsatz machen zu können. Und Verbraucher müssen heute auf billigen Konsum verzichten, um morgen noch konsumieren zu können. Deswegen hat der Professor eine Forderung:
21. Zuspielung Müller-Christ Dass wir viel mehr über das Thema Selbstbeschränkung reden müssen, unterlassen, um auch morgen oder übermorgen noch wirtschaften zu können. Dafür habe ich auch ein Beispiel. Und zwar ist das das bekannte Beispiel aus der Fischereiwirtschaft: Die Kabeljau-Bestände sind zusammengebrochen. Das war klar, dass das eintreten wird, aber man hat nicht darauf gehört. Aber mit der Ressource Fisch ist eine ganze Branche in Nordamerika zusammengebrochen. Jetzt gibt es Untersuchungen, die sagen: Hätten die Fischer insgesamt über die letzten 30 Jahre weniger Fisch gefangen, hätten sie mehr Einkommen gemacht bis heute. Das im betrieblichen Alltag entscheidungsfähig zu machen, also heute etwas zu unterlassen, um morgen den Vorteil zu haben, das ist die Riesenherausforderung für die Unternehmen, und hier muss ich sagen, ist die Management-Lehre noch nicht sonderlich hilfreich, dass sie das unterstützt.
|
Atmo H Möbelmacher | Heute auf Konsum verzichten, um sich morgen Konsum leisten zu können – in der Schreiner-Werkstatt der fränkischen Firma „Die Möbelmacher“ stößt diese Forderung des Betriebswirtschaftsprofessors auf Zustimmung. Die meisten Kunden müssen allerdings notgedrungen eine Zeitlang sparen, bevor sie sich ein Möbelstück der Firma kaufen können. Herwig Danzer und seine Kollegen sind mit diversen Nachhaltigkeits- und Umweltpreisen ausgezeichnet worden. Aber auch ihre Möbel haben ihren Preis: 22. Zuspielung Danzer Das ist ein Sideboard aus Zwetschge und hier sieht man, wir haben also links eine Glastür und rechts eine Glastür und in der Mitte sind das sechs Schübe. Dieses Sideboard mit den sechs Schüben und der Granitplatte liegt knapp unter 4000 Euro, in dieser Größenordnung, in Zwetschge, es wäre natürlich viel günstiger, wenn es in Buche wäre.
|
Atmo wechseln: I (draußen) | Während der Geschäftsführer Herwig Danzer das Zwetschgen-Sideboard und dessen Preis erläutert, sitzt der Rest der 17-köpfigen Belegschaft gerade gemeinsam am Massivholz-Pausentisch im Freien. Zur Nachhaltigkeit bei den Möbelmachern gehören auch familienfreundliche Arbeitszeiten, eine 36-Stunden-Woche und großzügige Pausen für die Mitarbeiter. Wer gute Produkte kaufen möchte und für sich selbst gute Arbeitsbedingungen wünscht, der müsse auch anderen ihre Arbeit gut bezahlen, meint der Schreinergeselle Mathias Deinhard. Er weiß dabei, dass man von einem Gesellengehalt, wie er es selbst bezieht, beispielsweise auf ein Bett der Möbelmacher lange sparen müsste:
23. Zuspielung Mathias Deinhard Das kommt drauf an, was man sonst noch so ausgibt, und auf was man Wert legt. Wenn man kein teures Auto hat und lieber gut schläft, dann muss man vielleicht zwei Jahre arbeiten als Geselle, dass man sich das leisten kann, ich weiß es nicht. 339 Es gibt sicherlich Leute, die Luxus wollen, und zu uns kommen. Aber es gibt welche, die sagen, wir haben nicht viel Geld, aber wir warten lieber drei Jahre, dann können wir uns wieder was leisten.
Zwei Jahre auf ein Bett zu sparen – dazu seien allerdings nicht besonders viele Kunden bereit, meint Gunther Münzenberg, der mit Herwig Danzer gemeinsam die Möbelmacher gegründet hat. Ihm mache seine Arbeit auch nach fast 20 Jahren viel Spaß, sagt er. Doch viel Hoffnung, dass der Gedanke der Nachhaltigkeit zur Massenbewegung wird, hat er nicht:
24. Zuspielung Münzenberg Realistisch gesehen, würde ich sagen, das geht nicht. Es wäre natürlich schön, wenn da mehr drauf achten und einkaufen. Aber es liegt letzten Endes am Endverbraucher und nicht an uns. Weil der Endverbraucher ist derjenige, der kauft. Billig ist geil, das ist der große Spruch, von hinten bis vorn, und so läuft das halt bei 80 Prozent so. Wenn man schaut, wie wenige Leute Bio-Essen einkaufen, und das nehmen sie wirklich ein in sich, dann ist das erschreckend. Also ich kann jetzt nicht sagen, alle Betriebe sollen auf Bio umschalten, weil es keiner zahlt, keiner kauft, keiner will. Es gibt viel zu viele andere Leute. Die Bürger muss man umerziehen. |
|
Andere Manager von vorbildlich nachhaltigen Firmen sind nicht ganz so pessimistisch. Wolf Lüdge, der Geschäftsführer des Textil-Versandes Hess Natur, hat ebenfalls Waren im Programm, die zum Teil um ein Vielfaches teurer sind als die Angebote der Konkurrenz. Aber die Waren seiner Firma seien eben auch anders, meint Lüdge. Und das wüssten die Kunden zu schätzen:
25. Zuspielung Wolf Lüdge In dieser ganzen Geiz-ist-Geil-Diskussion und Mentalität waren wir nie drin, wir haben auch bewusst darauf nicht abgezielt mit unserer Preispolitik, weil wir gesagt haben, wir haben ein gutes Produkt, das hat Qualität und dafür gibt es einen bestimmten Preis. Und das hat sich als erfolgreich erwiesen, also der Kunde belohnt uns dafür, dass wir konsequent sind.
Und die Belohung durch den Kunden kann Lüdge sogar in Zahlen fassen:
26. Zuspielung Wolf Lüdge Das Jahr 2006 war das beste Jahr umsatzmäßig und ergebnismäßig für Hess Natur, wir haben eine Umsatzsteigerung von 10 Prozent zum Vorjahr und mit einer gleichzeitigen Ergebnissteigerung. Das ist für den Textilbereich ein extrem gutes Ergebnis.
Allerdings waren die Ergebnisse von Hess Natur nicht immer so gut. Ende der 90er Jahre sah der inzwischen verstorbene Firmengründer Heinz Hess keine andere Möglichkeit, als die Mehrheit seines Unternehmen zu verkaufen. Die KarstadtQuelle AG übernahm den Natur-Textil-Spezialisten. Heute kann sich der Großkonzern KarstadtQuelle freuen, dass seine vergleichsweise kleine Tochter Hess Natur einiges zum Gesamtgewinn des Unternehmens beiträgt. Ob allerdings auch die Nachhaltigkeits-Philosophie vom kleinen Tochter-Unternehmen zum großen Mutter-Konzern hinüberfließt, darüber will sich der Hess-Natur-Geschäftsführer Wolf Lüdge nicht äußern. Auch die Konzernleitung von KarstadtQuelle beschäftigt sich inzwischen mit dem Thema Nachhaltigkeit. Inwieweit der Mutterkonzern darunter das Gleiche versteht wie er selbst, dazu will der Geschäftsführer von Hess lieber nichts sagen:
28. Zuspielung Wolf Lüdge Das Geschäftsmodell von Hess Natur funktioniert so, und im Konzern gibt es andere Geschäftsmodelle, die funktionieren anders. Und es obliegt nicht mir, über andere Geschäftsmodelle zu urteilen.
Denn wer nachhaltig wirtschaften will, muss nach Ansicht von Wolf Lüdge auch zwei ganz besondere Tugenden haben: Er muss Geduld haben. Und er sollte sich nicht in allzu großen missionarischen Eifer hineinsteigenr. |