Im Feinschmecker beschreibt Denis Scheck den Küchenkauf bei den Möbelmachern

"Eine Küche bauen zu lassen, ist wie eine Psychoanalyse. Längst begraben geglaubte Konflikte einer Persönlichkeit werden ans Licht geholt."

„Ute und herwig Danzer führen weniger Verkaufsgespräche, als Gesprächstherapien, die noch die verborgensten Küchenträume in jedem ans Licht heben“. 
So einfühlsam beschreibt Denis Scheck – der schon drei Mal bei uns gelesen hat – den Küchenkauf bei den Möbelmachern und erklärt so ganz nebenbei noch die komplette Firmenphilosophie und die damit gewonnenen Preise in der aktuellen Ausgabe des Feinschmeckers. Natürlich muss ein Literaturkritiker auch auf unsere Lesungen im Rahmen der Unterkrumbacher Werkstatt-Tage hinweisen, namentlich erwähnt mit Uwe Timm (1993), denn den schätzt er sehr.  

Wenn Kapitän Nemo auf Paul Bocuse trifft

Der Weg zur klinisch reinen Traumküche ist bei unserem Autor mit unzähligen Geräten und Maschinen gepflastert. Aber es gibt Rettung!

TEXT DENIS SCHECK (im Feinschmecker 7/2024)

Wie oft habe ich es mir schon geschworen: Meine nächste Küche wird eine Industrieküche! Brutal. Funktional. Edelstahl. Arbeitsfläche, Arbeitsfläche, Arbeitsfläche. Ohne jeden Schnickschnack. No frills, please! Genauso, wie ich sie neidvoll hundertmal schon in echten Profiküchen weltweit gesehen habe. Ergonomisch durchdachte Werkstätten für hart arbeitende, strukturierte Menschen. Köchinnen und Köche, die ihren Blätterteig gern selbst machen. Bretonische Artischocken vom Stroh befreien. Steinbutte schuppen und, wenn’s hart auf hart kommt, auch schon mal eine Wildschwein-Blutwurst mit Hirschzunge zubereiten. Ich will eine Küche und keinen nach Hygge Prinzipien gestalteten Wohlfühlraum für Wesen, die sich von grünem Tee und heißer Schokolade ernähren und eine Fototapete für ihre Karriere als TikTok Influencer suchen. Klare Kante – und damit aus die Maus.

Schön, wer sich auch in fortgeschrittenen Jahren die Fähigkeit zu träumen bewahrt hat. Längst weiß ich doch, dass ich zum guten Kochen nicht mehr brauche als ein kleines scharfes Messerchen. Na gut, ein Dampfgarer, ein Vakuumierer mit Sous vide Garer, eine Teppanyaki Platte, ein Induktionsherd und, wo wir gerade dabei sind, ein Thermomix, ein Rotationsverdampfer und ein Pacojet wären schon auch nicht schlecht. Ungern möchte ich mich auch von meiner Cona Kaffeemaschine mit Bunsenbrenner trennen, in der ich meine Consommé vom Reh mit Zimt, Nelken, Zesten von der Kaffirlimette und Sternanis aromatisiere. Oder von meinem Waffeleisen. Hat eigentlich jemand meine Fritteuse, meinen Puntarellen-Schneider oder meine Quittenreibe gesehen?

„Eine Küche bauen zu lassen,
ist wie eine Psychoanalyse.
Längst begraben geglaubte
Konflikte einer Persönlich-
keit werden ans Licht geholt.“

Wenn ich an meine Idealküche denke, treffen sich in meiner Fantasie Kapitän Nemo mit Paul Bocuse zum Brainstorming. Heraus kommt dabei weniger eine Küche, als vielmehr eine Art transitorischer Andachtsraum, wie man sie aus Hollywoodfilmen kennt, wenn der Held zwischen Leben und Tod schwebend dem lieben Gott oder seinem Schutzengel begegnet. Dabei weiß ich es doch längst besser. Auch wenn ich noch so sehr den Minimalismus bewundere und mich an Frank Lloyd Wright, Kazuyo Sejima oder Peter Zumthor berausche: In diesem Leben wird das nichts mehr mit dem Küchenminimalismus und mir. Wie der Kölner Volksmund so schön sagt: Ussem Piss pott kannste keen Mokkatässchen maake.

Jede Selbstoptimiererei stößt an ihre Grenzen. Eine Küche bauen zu lassen, ist wie eine Psychoanalyse. Längst begraben geglaubte Grundkonflikte einer Persönlichkeit werden ans Licht geholt und in einem keineswegs spannungsfreien Prozess gelöst. Auf dieser emotionalen Achterbahnfahrt kann ich mir keine besseren Begleiter vorstellen als Ute und herwig Danzer, die Geschäftsführer der „Möbelmacher“ im fränkischen Unterkrumbach. Meine innersten Wünsche soll die neue Küche erfüllen. Doch was, wenn diese innersten Wünsche so nebulös sind, wie es Robert Gernhardt in seinem Gedicht „Selbstbefragung“ ein mal so schön formulierte:

„Ich horche in mich rein. 
In mir muß doch was sein. 
Ich hör nur ,Gacks‘ und ,Gicks‘.
In mir da ist wohl nix.“?

Ute und herwig Danzer führen weniger Verkaufsgespräche als Gesprächstherapien, die noch die verborgensten Küchenträume in jedem ans Licht heben. Und einem ganz nebenbei erklären, warum es keine gute Idee ist, eine Spüle in eine Kochinsel zu integrieren.

Entstanden ist das Unternehmen in den 80er Jahren aus der Freundschaft zweier begeisterter Drachenflieger, die sich fürs Schreinern begeisterten. Inzwischen sind „Die Möbelmacher“ mit zahllosen Nachhaltigkeits und Umweltpreisen ausgezeichnet und zählen zu den besten Handwerksbetrieben Deutschlands. Die den Küchenbauern bei der Gründung ihrer Firma vor Augen stehende Vision von Nachhaltigkeit, Regionalität, ressourcenschonendem Umgang mit der Natur, Wiederbelebung alter Handwerkskunst bei gleichzeitiger Aufgeschlossenheit für technische Innovation gehört inzwischen zur DNA unserer Zeit.

Zudem waren die „Möbelmacher“ immer schon extrem internetaffin und betreiben den ältesten Handwerksblog Deutschlands. Vor allem aber sind Ute und herwig Danzer auch begeisterte Gourmets, die sich seit ihren Gründerjahren in der Slow Food und Cittaslow Bewegung engagieren und bei zahllosen Messeauftritten ihre Kompetenz als Showköche unter Beweis stellen. Ihre legendären Hoffeste, in ihrer von Architekturzeitschriften zur „schönsten Werkstatt Deutschlands“ gekürten Fertigungshalle, zu denen sie auch gern Autoren wie Uwe Timm zu Lesungen einladen, sind die ultimativen Küchenpartys in Deutschland.

Jeder Besuch in Unterkrumbach, wo das Holz aus der Region vor Ort zersägt und jahrelang gelagert wird, bringt alle meine Träume von einer Edelstahlküche rasch zum Platzen. Wer vermag sich schon dem Charme einer Elsbeere, eines Kirschbaums oder einer Buche zu entziehen?

Über Denis Scheck

Der Literaturkritiker, Journalist, Herausgeber und Übersetzer wurde einem großen Publikum durch die unterhaltsame Sendung „Druckfrisch“ (ARD) bekannt, in der er seit 2003 monatlich unterhaltsam und pointiert Bücher und deren Autoren vorstellt. Für seine Arbeit wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet. Scheck hat aber auch eine große Leidenschaft für gutes Essen und für Wein, für das Kochen und Restaurants. Das Buch „Schecks kulinarischer Kompass“ war ein Bestseller.

Seit unserem 25-jährigen Jubiläum im Jahr 2013 hat Denis Scheck schon drei Mal in Unterkrumbach gelesen und noch viel öfter haben wir uns getroffen

Ute Danzer wollte unbedingt die entscheidenden Worte sprechen:
„Und hier kommt er, Ihr Streiter, für das Gute, Schöne, Wahre – Denis Scheck“.

Und es gelang ihr, was man im Video hört.

2013 war Denis Scheck das erste Mal in Unterkrumbach und dabei entstand neben vielen Videos über seine Lesung auch ein gegenseitiges Interview:

Hier sind alle Artikel im Nachhlatigkeitsblog, die sich mit Denis Schecks Büchern, Besuchen und Besprechungen beschäftigen.