Wie kommt ein Handwerksbetrieb zu EFQM?
Initiiert durch die Stadt Nürnberg wurde zusammen mit ca. 30 Unternehmen bei der Auftaktveranstaltung am 7.12.1999 das Netzwerk COUP 21 gegründet. Die Möbelmacher engagierten sich in der Arbeitsgruppe, die Managementsysteme auf die Integrationsfähigkeit von Nachhaltigkeitskriterien untersuchte.
Daraus entwickelte sich die Sustainable Excellence Group, die das EFQM-Qualitatsmangementsystem auswählte um es in Richtung Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln. Fast 80 Prozent unserer Änderungsvorschläge wurden in das neue EFQM-Modell in Brüssel übernommen. Als Basis dieser Arbeit dienten die Einführungen des Systems bei 4 Pionierunternehmen, der Lammsbräu Neumarkt, der Telekom, dem Schindlerhof und den Möbelmachern. Deren Erfahrungen fließen wiederum in die Verbesserungsvorschläge für das nächste "Refreshment" des Systems ein.
EFQM-Workshop der Möbelmacher
Der erste Workshop, bei dem das EFQM-Modell von Michael Lörcher und Thomas Merten vorgestellt wurde, fand im April 2002 im Grünen Baum in Kühnhofen (siehe Bild) mit allen Mitarbeitern statt. Nach einem zweiten Treffen mit den Gruppenleitern im regionalen Musterhaus am 5. August 2002 wurde am 18. und 19. Oktober die weltweit erste EFQM-Selbstbewertung nach dem Nürnberger Nachhaltigkeitsansatz durchgeführt. In einem Artikel, den Thomas Merten für den Möbelmacherkalender schrieb, erklärt er die wichtigsten Schritte und Zusammenhänge. Deshalb hier sein Artikel:
Das S-EFQM-Modell mit dem Nürnberger Nachhaltigkeitsansatz in Unterkrumbach
von Thomas Merten
Die EFQM (European Foundation for Quality Management) ist eine europäische Initiative für ganzheitliches Qualitäts-Management, und diese hat in ihrem EFQM-Modell beschrieben, was Unternehmen machen sollten, um ganz viel Qualität zu erzeugen. Und weil diese Qualität nicht ausreichend im Sinne von Nachhaltigkeit formuliert wurde, gibt es neuerdings ein Nachhaltigkeits-EFQM (neuer offizielle Bezeichnung S-EFQM nach dem Nürnberger Nachhaltigkeitsansatz). Und damit fängt die Geschichte an:
Letztes Jahr lernte ich herwig Danzer dabei kennen, wie er uns - zusammen mit anderen EFQM-Assessoren - bei der Entwicklung des S-EFQM-Modell unterstützte. Als Geschäftsführer der Möbelmacher brachte er jede Menge Engagement und viel Wissen in die Arbeit ein und am Ende stand ein Managementinstrument, welches seine Theorie bestanden aber seinen Praxistest noch vor sich hatte. Jeder, der das EFQM-Modell einmal gelesen hat, weiß, warum sich kleine Unternehmen nur sehr selten an diese anfangs schwer verdauliche Sprache und Denke herantrauen - so auch herwig selbst. Und trotzdem luden uns im Frühjahr 2002 Gunther, herwig und die Gruppenleiter ein, das Modell, seine Philosophie und natürlich seine Anwendbarkeit den Möbelmachern vorzustellen. So fanden wir (Michael Lörcher von future e.V. / AkkU Umweltberatung und ich) uns im April in der Gaststätte "Zum grünen Baum" wieder und versuchten redlich, allen Möbelmachern das Modell schmackhaft zu machen. Wie so häufig versagte beinahe unsere ganze Theorie von den schönen Ergebnissen und der schönen Strukturierung - nur eine kleine Selbstbewertung der Mitarbeiterzufriedenheit brachte die Möbelmacher-Seele in Aktion. Angestoßen durch unsere Fragen setzen sich Gunther, herwig, Helmut, Stefan, Matthias, Marlen & Co. damit auseinander, was Mitarbeiterzufriedenheit bei den Möbelmachern heißt und wie sie eingeschätzt wird. "Der grüne Baum" ist seit diesem Abend Sinnbild für einen neuen Prozess bei den Möbelmachern geworden: eine interne Selbstbewertung, vor allem der so genannten "weichen Faktoren". Dazu zählen Zufriedenheit, Motivation, Qualifikation, Kommunikation etc.
Nun haben die Möbelmacher im Herbst 2002 eine umfangreiche, weite Teile des S-EFQM-Modells abdeckende, Selbstbewertung durchgeführt. Die von uns organisierte und moderierte Bestandsaufnahme der eigenen Stärken & Verbesserungspotenziale wird den Möbelmachern in der nahen Zukunft verhelfen, noch besser und noch nachhaltiger zu wirtschaften, die Kundenwünsche noch besser zu verstehen und sie optimal zu befriedigen. Die Kompliziertheit und vor allem die Sprache des Modells war und ist immer noch ein Problem (Michael, herwig und ich haben bis 4:15 in der Früh gearbeitet, um die Stärken und Verbesserungspotenziale in eine handwerker- und modellverträgliche Sprache zu bringen- um 7:30 ging´s wieder mit der ganzen Belegschaft weiter). Die Möbelmacher haben aber eindrucksvoll gezeigt, dass auch Handwerksbetriebe keine umfangreichen Managementsysteme zu scheuen brauchen. Allen MitarbeiterInnen von unserer Seite ein herzliches Dankeschön: es hat viel Spaß gemacht mit Euch!
Thomas Merten, Wuppertal Institut / Projektbüro MR-ten
P.S. Fast alle Änderungen des EFQM-Modells, die die Nürnberger Expertengruppe in Richtung Nachhaltigkeit erarbeitet hat (beteiligt waren daran: Manfred Jung, Thomas Merten, Michale Lörcher, Oliver Alex, herwig Danzer, Werner Ebert, Harald Weiniger, Susanne Kaldschmidt), wurden von der EFQM bei der aktuellen Modell-Überarbeitung berücksichtigt. So sind die Möbelmacher der erste Betrieb, der seine Selbstbewertung mit dem S-EFQM nach dem Nürnberger Ansatz durchführte. 2004 wird das in Europa der Standard werden.
(Mehr Infos zu diesem Thema unter www.nachhaltigkeit.de)
Mitarbeitergespräche
Im Rahmen unseres EFQM-Qualitätsmanagementsystems,aber viel mehr als vernünftige Basis für eine langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit, treffen sich mindestens jährlich Mitarbeiter und Gesellschafter zu Gesprächen unter – nach Wunsch– maximal 10 Augen. Ziele, Zufriedenheit, Hoffnungen, Kritik und wie immer zu selten Lob werden in beide Richtungen ausgetauscht und – wenn notwenig – Verbesserungsmöglichkeiten gesucht. Den gesprächsleitenden Fragebogen hat unser Küchenspezialist Helmut Neugebauer erstellt, und Nina Brunner schrieb dazu im Weblog vom 7.2.06:
„Ich finde, dass solche Gespräche schon sehr hilfreich sind, um die gute Stimmung im Betrieb zu erhalten oder noch zu verbessern, denn wenn auch unangenehme Dinge ehrlich angesprochen werden, kann jeder daran arbeiten um diese aus der Welt zu schaffen.”
Verantwortung
Man muss keine eigene Firma haben, um eigenverantwortlich arbeiten zu können, zu müssen oder zu sollen? Helmut Neugebauer montiert mit seinem Team in Berlin Küchen, Claus Rossmann baut Messestände in Nürnberg auf, Stefan Winter managet die gesamte Ausbildung und Nina Brunner entscheidet, welche Post die Geschäftsführer zu sehen bekommen. Mathias Deinhard betreut seine Kunden vom ersten Telefonat bis zum Service nach der Rechnungsstellung (Riechsalz) und Julia Hölzel organisiert selbständig ihre ersten Montagen. Auch unsere Lehrlinge haben eigene Aufgabenbereiche und so sollte nach den Gesetzen der Logik eigentlich nichts mehr schief gehen können.
Tut´s normalerweise auch nicht und wenn doch, dann wird gemeinsam dran gearbeit, damit das nicht mehr vorkommt. Angeblich hätte ja schon vor rund 2006 Jahren ein Handwerkersohn versprochen, wiederzukommen und seine Arbeit fertig zu machen, aber bei uns geht es doch meist schneller. Aber egal, wie langfristig man diese Dinge angeht, überall, wo Menschen zusammen arbeiten, entstehen Reibungen. Von Fachleuten moderierte Workshops (auf dem Bild Thomas Merten vom Wuppertal Institut und der Sustainable Excellence Group - www. nachhaltigkeit.de) können Wege zum gegenseitigen Verständnis öffnen. Alleine die Zeit für gemeinsame Gespräche kann hier schon hilfreich sein, aber es wäre blauäugig zu hoffen, dass diese Arbeitsglück auf Dauer garantieren.
Zusammenarbeit ist ein kontinuierlicher Prozess, der immer wieder weiterentwickelt werden muss.